Eisenmangel und Kinder / Jugendliche

Wachstum und Ernährung

„Iss, damit Du groß und stark wirst.“ Früher ein gut gemeinter Rat, der dem erhöhten Nährstoffbedarf im Wachstum Rechnung tragen sollte. Heute - im Zeitalter von Fastfood und Süßigkeiten - sind wir gut beraten, die Betonung mehr auf die Qualität des Essens zu legen als allein auf die Quantität. In Zeiten des Überflusses in den entwickelten Staaten und einer eher durch Ein- als durch Vielseitigkeit ausgestalteten Kinderkost fordern Gesundheitsorganisationen schon lange eine gesunde Ernährung von Anfang an.
Bislang noch mit wenig Erfolg: Die Kost unserer Kinder ist häufig weit entfernt von empfohlenen optimierten Mischkostempfehlungen z.B. des Forschungsinstituts für Kinderernährung. Das ist umso bedauerlicher, da die nachhaltigen Einflüsse der Ernährung auf die Gesundheit nicht nur vor der Geburt, sondern auch in den Wachstumsjahren danach inzwischen gut untersucht und weitgehend bekannt sind.

Weniger Fleisch, weniger Eisen

Aufgrund des in vielen entwickelten Ländern - so auch in Deutschland - oft viel zu hohen Fleischanteils im Essen - auf Kosten von Obst, Gemüse und Getreide(-produkten) – ist die Eisenversorgung unsere Kinder sogar noch vergleichsweise gut: Für Deutschland ergab eine Ernährungsstudie des Robert Koch Institutes folgende Ergebnisse: In der Altersgruppe der 6-9-Jährigen beider Geschlechter und bei männlichen Jugendlichen im Altern von 12-17 Jahren werden die Zufuhrempfehlungen für das Spurenelement erreicht oder sogar überschritten.
Nicht jedoch bei den 10-11-Jährigen und bei den weiblichen Jugendlichen.
Die Differenz zum Referenzwert ist insbesondere bei Mädchen groß, was neben der beginnenden Menstruation vor allem deren Tendenz zur fleischärmeren und nicht selten auch fleischlosen Kost zugeschrieben wird.29

Mit Eisen fit fürs Leben – von Anfang an

Neben dem erhöhten Bedarf in den starken Wachstumsphasen und/oder einer unausgewogenen Ernährung liegt die Ursache von Eisenmangel bei Kindern nicht selten auch weiter zurück in Schwangerschaft und Stillzeit begründet. Insbesondere bei schnell aufeinanderfolgenden Schwangerschaften oder Mehrlings-Schwangerschaften, Frühgeburten sowie nach überlangen Stillzeiten startet das Baby in vielen Fällen nicht mit gefüllten Eisenspeichern ins Leben.

Eisenmangel bei Säuglingen

Normalerweise kommt das Baby mit gut gefüllten Eisenspeichern zur Welt. Zusammen mit der Muttermilch sorgen diese in den ersten 4-6 Lebensmonaten für eine normale Entwicklung. Wenn die Mutter aber schon während der Schwangerschaft einen schweren Eisenmangel hatte, reicht die beim Baby verfügbare Eisenmenge häufig nicht aus.

Besonders kritisch wird die Eisenversorgung im Alter von 6-36 Monaten. Der Eisengehalt der Muttermilch sinkt in den ersten 6 Monaten nach der Geburt um die Hälfte. Gleichzeitig nimmt ab dem 2.Lebenshalbjahr das Blutvolumen des Säuglings stark zu. Es wird also mehr Eisen zur Bildung des roten Blutfarbstoffes Hämoglobin benötigt. Spätestens ab dem 5. Stillmonat sollte deshalb eine eisenreiche Beikost – z.B. ein Kartoffel-Gemüse-Fleischbrei – immer stärker an die Stelle der Muttermilch als Haupt-Eisenlieferant treten.

Zu langes Stillen, zu späte Gewöhnung an feste Kost und/oder eine überwiegend vegetarische Ernährung können einen Eisenmangel bis ins Kindergarten-Alter nach sich ziehen.

Eisenmangel bei Jugendlichen

Die nächste besonders kritische Phase der Eisenversorgung ist im Alter von 11-14 Jahren. Jungen nehmen stärker an Muskelmasse zu. Ihr gesamter Körpereisenbestand erhöht sich. Denn Eisen ist auch ein zentraler Bestandteil von Myoglobin – dem roten Muskelfarbstoff.

Bei Mädchen ist es weniger das Muskelwachstum. Bei ihnen verursacht das Einsetzen der Monatsblutung zusätzliche Eisenverluste. Auch die Neigung der Mädchen zu oft einseitigen Diäten führt zur Eisenunterversorgung.

Sowohl bei Jungen und Mädchen in dieser Altersgruppe kann das Betreiben von Ausdauersport ebenfalls einen Eisenmangel begünstigen.

Eisenmangel im Wachstum hat weitreichende Folgen

Im Wachstum ist Eisen besonders wichtig für eine gesunde körperliche und geistige Entwicklung sowie für das Immunsystem der Kinder. Gerade in den Wachstumsschüben werden Mikronährstoffe wie Eisen und Folsäure nicht nur zur Aufrechterhaltung der ‚normalen‘ Funktionen gebraucht. Sie werden außerdem zum strukturellen Aufbau benötigt, wie zum Beispiel für Blutvolumen, Muskel- oder Hirnentwicklung. Fehlt Eisen gerade in diesen Phasen, kann es zu Verzögerungen des geistigen und körperlichen Wachstums und den damit verbundenen Spätfolgen kommen. Ein schwerer Eisenmangel zwischen dem 6. Lebensmonat bis zum 16. Lebensjahr geht oft mit Störungen in der motorischen, kognitiven und sozioemotionalen Entwicklung einher, wie z.B.

  • eingeschränkte Gehirnentwicklung,
  • verminderte geistige Lern- und Leistungsfähigkeit,
  • Aufmerksamkeits- und Gedächtnisdefizite,
  • eingeschränkte Entwicklung sozial / emotionaler Fähigkeiten sowie
  • psychische Labilität/Anfälligkeit (Verhaltens- und Wesensänderungen).

Bei Teenagern konnten schlechtere schulische Leistungen auf Eisenmangel zurückgeführt werden.

Dabei können diese Störungen sogar bis hinein ins Erwachsenenalter reichen. 
Vor allem, wenn schwerer Eisenmangel im Säuglingsalter und/oder in der frühen Kindheit vorhanden war, können Langzeitschädigungen auch trotz späterer Eisentherapie weiter fortbestehen. Wenn der Eisenmangel dagegen erst in der Jugend oder im Erwachsenenalter auftritt, sind die Fehlfunktionen in der Regel noch vollständig zu korrigieren.

Zu beachten ist außerdem, dass bei Eisenmangel die Aufnahme von anderen Schwermetallen steigen kann, wofür Kinder besonders empfindlich sind.1

Eisenmangel bei Kindern und Jugendlichen rechtzeitig therapieren

In den Industrienationen zeigen durchschnittlich 3% der Kinder zwischen 6-16 Jahren Anzeichen von Eisenmangel mit und ohne Anämie. Am häufigsten betrifft Eisenmangel die Gruppe der weiblichen Teenager mit 8,7% sowie der Kleinkinder mit 9%.30 Die deutsche Leitlinie zur Therapie von Eisenmangel und Eisenmangel-Anämie geht von einem Speichereisenmangel bei 4-8% der 13-15-Jährigen aus.9

So folgenschwer ein Eisenmangel im Wachstum sein kann, so einfach ist ihm entgegenzuwirken. Das Problem liegt meist in der Erkennung der Eisenspeicherentleerung, die  nur über den Ferritin-Wert bei einer Eisenmangeldiagnostik offenbart wird.

Die Basis allen Handelns sollte aber die Ernährungs-Umstellung auf eine ausgewogene Mischkost mit hohem Anteil an Eisen sein, das auch für den Körper gut verfügbar ist.

Ist dies nicht oder nur bedingt umzusetzen, sollte eine Ergänzung von Eisen unbedingt mit dem Kinderarzt abgeklärt werden. Nicht selten wiegen Eltern sich durch unkontrollierte Gabe von Nahrungsergänzungsmitteln fälschlicherweise in Sicherheit, da diese bei schon vorliegendem Mangel in der Regel nicht ausreichend hoch dosiert sind.

Um erschöpfte Eisenspeicher aufzufüllen, kann eine Eisentherapie durchaus 3-6 Monate andauern.

Kennen Sie das Eisenmangel-Risiko Ihres Kindes?

Die Diagnose auf Eisenmangel kann  nur durch eine Untersuchung beim Kinderarzt erfolgen, zum Beispiel mit einer Messung des Hb- und des Serum Ferritin-Wertes.

  1. Nielsen P. Diagnostik und Therapie von Eisenmangel mit und ohne Anämie. 1. Aufl. 2009; UNI-MED Verlag AG Bremen

  1. DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V., Eisenmangel und Eisenmangelanämie, www.dgho-onkopedia.de, Abruf am: 18.08.2014

  1. Dr. Gert B. M. Mensink et al., Ernährungsstudie als KiGGS-Modul (EsKiMo), www.bmel.de, Abruf am: 04.04.2014

  1. Brunner-Agten S, Meyer MK, Huber A. Eisenmangel, Gehirnentwicklung und kognitive Leistungsfähigkeit. Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin. 2012, 3: 28-35.